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„Wir wollen für diese Stadt im klassischen Bereich das Beste herholen, was die Welt bietet."

Stuttgarter Konzertveranstalter in der dritten Generation. Interview mit Michaela und Michael Russ.

Frau Russ, Herr Russ, wir sitzen hier in der Stuttgarter Liederhalle … Sie sind beide Konzertveranstalter in der zweiten bzw. dritten Generation … Könnte man sagen, hier ist so etwas wie Ihre zweite Heimat?

Michael Russ: Ja, es gibt eine besondere Beziehung zur Liederhalle. Ich habe noch miterlebt, wie schwierig es für meinen Vater bzw. für meine Eltern war, Konzerte in Stuttgart zu veranstalten. Da gab’s das Straßenbahner-Waldheim oben in Degerloch, unmittelbar nach dem Krieg haben da schon Größen wie Furtwängler oder Karl Böhm dirigiert. Dann haben in den Kinos Metropol und Universum nach den Kinoveranstaltungen noch Konzerte stattgefunden oder im Gustav-Siegle-Haus. Ab 1956 hatte Stuttgart dann das große Glück, diese Halle hier zu bekommen. Es gab keine andere deutsche Stadt, die eine neue Konzerthalle hatte zu dieser Zeit. Und insofern bin ich hier mehr oder weniger aufgewachsen. Das war schon meine zweite Heimat. Wenn ich es aufaddiere, habe ich hier wahrscheinlich mehr Abende verbracht als zu Hause.

Michaela Russ: Bei mir war es ähnlich. Wir sind als Kinder auch viel zu den Konzerten mitgegangen, aber eigentlich mehr am Wochenende, die Schule ging dann schon vor … Als Kind durfte ich damals den Künstlern immer Blumen überreichen, bis ich das dann einmal buchstäblich verstolpert habe, ab da habe ich es nicht mehr so gerne gemacht. Das ist bis heute so geblieben (lacht).

 

Herr Russ, 1945 wurde Ihr Vater Erwin Russ vom späteren Oberbürger-meister Arnulf Klett gebeten, beim Wiederaufbau des Konzertlebens in Stuttgart nach dem Krieg mitzuhelfen. Wie kam Dr. Klett speziell auf Ihren Vater?

Michael Russ: Mein Vater war Prokurist bei Sulze und Galler, damals die größte Musikalienhandlung in Stuttgart. Und vor dem Krieg gab es keine Konzertveranstalter wie heute, da haben die Musikalienhandlungen die Konzerte durchgeführt. Insofern war mein Vater in dem Metier schon sehr aktiv gewesen. Und da hat sich der spätere Oberbürgermeister Klett erinnert und ihn gefragt, ob er bereit wäre, das Musikleben in Stuttgart wieder aufzubauen. Mein Vater war einverstanden und bekam sehr schnell eine Lizenz von den Amerikanern. Der Start war dann am 1. September 1945.

… und dann wächst man ganz automatisch ins Familienunternehmen hinein?

Michaela Russ: Bei meinem Vater war das so, er ist gleich nach der Schule ins Geschäft eingestiegen. Bei mir war das etwas anders. Am Anfang wollte ich mich ein bisschen vom Familienunternehmen abnabeln und habe Hotelfachfrau gelernt, zum Entsetzen meiner Eltern (lacht) … Aber irgendwann war ich dann so weit und habe zu meinem Vater gesagt: Wenn eine Stelle frei wird, dann denk doch mal an mich. Dann wurde in der Vermittlung eine Stelle frei, und ich habe wirklich von der Pike angefangen.

War der hohe Qualitätsanspruch, der heute an Ihren Programmen ablesbar ist, schon von Anfang an bei Russ vorhanden?

Michael Russ: Es war immer das Ziel meines Vaters, alles nach Stuttgart zu bekommen, was Rang und Namen hat. Das ist ihm auch gelungen. Auch für mich war die Topqualität immer der Maßstab. Und das ist für Michaela genau dasselbe. Das zieht sich durch unsere Firma wie ein roter Faden.

Michaela Russ: Wir wollen für Stuttgart im klassischen Bereich die besten Künstler und Orchester herholen, die die Welt zu bieten hat. Stuttgart wurde ja schon mehrfach als „Kulturhauptstadt Deutschlands“ ausgezeichnet. Das soll so bleiben, dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.

„Wenn man so viel gehört hat wie wir, dann kann man auch einzelne Nuancen sehr gut unterscheiden.“

Michael Russ

Mal laienhaft gefragt: Wie unterscheidet man Qualität von Top-Qualität?

Michael Russ: Das Entscheidende bei der Musik ist in der Tat das Hören. Wenn man so viel gehört hat wie Michaela und ich, dann können Sie auch einzelne Nuancen sehr gut unterscheiden … beim dem einen Orchester sind die Blechbläser besser, beim anderen sind es die Holzbläser oder die Streicher…

Michaela Russ: Viel hören ist wichtig, den Markt beobachten, aber natürlich auch der Austausch mit den Kollegen in den anderen Städten. Die Kammermusik und die Pianisten, die höre ich mir vorher immer selbst an. Bei den Symphonie-Orchestern, da kennt man die Top-Ten natürlich sehr gut. Wichtig ist: Das Publikum muss sich wohlfühlen und wissen, Russ steht für höchste Qualität, da werden wir, als Besucher, nicht enttäuscht, weder organisatorisch noch musikalisch. 

Gibt es nach hunderten von Konzerten einzelne Konzertmomente, an die Sie sich besonders nachhaltig erinnern?

Michaela Russ: Also für mich war das der erste Klavierabend mit Krystian Zimerman. Das war so besonders für mich, dass ich gehofft habe, dass er einfach noch mal von vorne anfängt … oder auch das letzte Konzert von Kurt Masur mit dem London Symphonic Orchestra. Da wusstest du genau, dieser hochbetagte und immer noch faszinierende Mann kommt wahrscheinlich nie wieder. Das ist schon etwas ganz Besonderes, zu sehen, welche Leistung so jemand in diesem Alter noch bringen kann.

Michael Russ: Meine tiefste Erinnerung ist an ein Konzert mit dem Pianisten Arturo Benedetti Michelangeli. Das war ein echter Star – und der schwierigste Künstler, den ich je betreut habe. Er war berühmt dafür, dass er gerne mal kurzfristig absagt. Man war eigentlich immer froh, wenn er dann auf der Bühne war. Eines Tages war er wieder hier, und ich ging hinter die Bühne und sagte: „Maestro, wir können beginnen“. Da hat er gesagt: „Ich spiele heute nicht“. Dann stand ich konsterniert vor der Künstlergarderobe und dachte, da sitzen zweitausend Menschen im Saal, was sage ich denen? Dann fiel mir ein, dass er früher das berühmte Langstreckenrennen Mille Miglia gefahren ist, und ich wusste, es gibt diesen legendären Mercedes C 111 mit Wankelmotor, der nie in Serie ging … Dann bin ich zu ihm reingegangen und habe gesagt: „Maestro, wenn Sie spielen, verspreche ich, dass Sie morgen mit dem C 111 fahren dürfen.“ … Das hat geklappt, der Abend war gerettet … Mercedes hat dann dankenswerterweise kurzfristig einen exklusiven Vororttermin in Untertürkheim möglich gemacht, und ab da hatten wir ein wunderbares Verhältnis mit dem Maestro …

„Wir haben uns auch auf die Fahne geschrieben, junge Künstler aufzubauen.“

Michael Russ

Russ Klassik hat sich auf die Fahne geschrieben, junge Künstler aufzubauen. Aktuelles Beispiel: die Pianistin Khatia Buniatishvili, der Dirigent Klaus Mäkelä, Sheku Kanneh-Mason, Violoncello oder der Pianist Hayato Sumino.

Klaus Mäkelä

Sie haben auch viele junge Künstler im Programm, die noch nicht so bekannt sind, ein Risiko?

Michaela Russ: Wir haben uns auch auf die Fahne geschrieben, junge Künstler aufzubauen. Dazu muss man sie zu einem Zeitpunkt präsentieren, an dem sie praktisch noch niemand kennt. Das war im Übrigen mit Lang Lang genauso. Als er zum ersten Mal hier in Stuttgart war, hat ihn noch keiner gekannt. Ein ganz aktuelles Beispiel ist Giorgi Gigashvili, mit seinen 24 Jahren ein fantastischer Pianist, dem eine große Karriere bevorsteht.

Und wie baut man dann solch einen Künstler auf?

Michaela Russ: Indem wir ihn regelmäßig einladen und ihn unserem Publikum in unterschiedlichen Konstellationen präsentieren. In Kombination mit einem großen Orchester, als Solist oder im Rahmen der Kammermusik. Nehmen Sie, zum Beispiel, die Pianistin Alexandra Dovgan, die ist erst 17, aber sie ist jetzt schon das zweite Mal hier. Beim ihrem Stuttgart-Debut war das Publikum sehr begeistert.

Michael Russ: Noch ein Wort zum Thema Risiko … Als Konzertveranstalter hat man natürlich immer ein gewisses Risiko, aber das wird zunehmend größer. Der Rückgang der Abonnenten ist ein weltweites Phänomen, die Menschen wollen sich weniger binden … und die Corona-Zeit hat den Trend noch einmal verschärft. Das heißt: Es fehlt die Planungssicherheit … Da muss man schon eine gewisse Risikobereitschaft haben, um Programme auf dem Level zu präsentieren, wie wir das im Moment tun …

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der Klassik in Stuttgart?

Michaela Russ: Ich finde, wir haben ein sensationelles Programm. Das müssen wir den potentiellen Besuchern entsprechend kommunizieren. Wir haben fantastisch junge Musiker. Es kommt einfach sehr, sehr viel Gutes nach. Und deshalb bin ich guter Dinge, dass auch das Publikum nachwächst. Ich bin positiv gestimmt.

Konzertdirektion Russ: Eine ganze Welt aus Konzerten, Künstlern und Events.

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